Psychologische Testverfahren und Testdiagnostik
Was ist ein psychologisches Testverfahren?
„Ein psychologischer Test ist ein wissenschaftliches Routineverfahren zur Untersuchung eines oder mehrerer empirisch abgrenzbarer Persönlichkeitsmerkmale mit dem Ziel einer möglichst quantitativen Aussage über den relativen Grad der individuellen Merkmalsausprägung.“ (Lienert und Raatz, 1998)
Psychologische Tests sind wissenschaftliche Verfahren, die die Eigenschaften bzw. Merkmale von Personen, Personengruppen und Organisationen erfassen und neben anderen psychodiagnostischen Verfahren eingesetzt werden. Neben den psychometrischen Tests, die Persönlichkeitsmerkmale messen und die größte Gruppe innerhalb der psychologischen Testverfahren bilden, gibt es auch qualitative Tests, bei denen ein Verhalten provoziert wird, welches anschließend zum Beispiel von PsychologInnen, PsychotherapeutInnen oder PsychiaterInnen beurteilt wird.
Allen Testverfahren ist jedoch gemein, dass bestimmte Aufgaben gestellt werden, die der Proband zu bearbeiten hat. Die Art und Weise, wie die Aufgaben gelöst werden, lässt Aussagen darüber zu, wie sich die Testperson voraussichtlich in anderen, realen Situationen und bei vergleichbaren Anforderungen verhalten wird.
Schätzungsweise gibt es allein im deutschsprachigen Raum rund 600 psychologische Testverfahren. Die Hauptbereiche psychologischer Testverfahren umfassen die Intelligenzdiagnostik, Persönlichkeits- und Entwicklungsdiagnostik, neuropsychologische Fragestellungen und die klinische Psychologie. Aber auch im Bereich der beruflichen Eignungsdiagnostik spielen psychologische Testverfahren eine große Rolle.
Wozu dienen Testverfahren?
Die Anwendung von Testverfahren kann verschiedene Gründe haben und unterschiedlichen Zwecken dienen.
Im Bereich der psychologischen Beratung etwa können Psychologische Testverfahren Aufschluss über die eigene Person geben. Ein wichtiges Ziel der Testanwendung besteht in der Wahl der geeigneten Behandlungsmethode, wie etwa bei der Förderung von Schulkindern mit Rechtschreibschwäche. Darüber hinaus können auch Behandlungsfortschritte überprüft werden.
Immer wichtiger werden psychologische Testverfahren im Bereich der Personalauswahl und Personalentwicklung. Bewerber und Mitarbeiter können mit anderen Kandidaten oder Kollegen bezüglich ihrer Fähigkeiten hin verglichen werden inwieweit sie beispielsweise den einzelnen Anforderungen genügen.
Welche Arten von Testverfahren gibt es?
Man unterscheidet in der Psychologie zwischen qualitativen (inhaltlich) und quantitativen (zeitlich, verhältnismäßig) Verfahren, die einzeln und/oder in der Gruppe durchgeführt werden können. Wichtig hierbei ist jedoch, dass Testergebnisse immer nur zu Aussagen über Teilbereiche einer Person (Merkmale, Fähigkeiten, bevorzugte Verhaltensweisen) in Bezug auf bestimmte Fragestellungen führen. Aus diesem Grunde wird bei der Entwicklung psychologischer Testverfahren darauf geachtet, dass sie durch eine Vielzahl von Untersuchungen erprobt und wissenschaftlich abgesichert sind. Psychologische Testverfahren müssen hierfür nacheinander folgende Gütekriterien erfüllen:
Objektivität: Sind Durchführung, Anwendung und Interpretation unabhängig von Einflüssen des Untersuchers oder der Untersuchungssituation?
Reliabilität (Genauigkeit oder Zuverlässigkeit): Wie exakt wird das Merkmal gemessen oder sind die Messergebnisse in zu großem Ausmaß mit Fehlern behaftet?
Validität (Gültigkeit): Misst das Verfahren, was es messen soll?
1) Misst die Methode wirklich das gewünschte Merkmal (z. B. Dyskalkulie)?
2) Kann aufgrund des gemessenen Testwerts eine fundierte diagnostische Entscheidung mit entsprechender Güte getroffen werden (Risikodiagnose für Rechenstörungen im Schulalter)?
Neben diesen drei Hauptkriterien gibt es weitere Testgütekriterien: Utilität, Testfairness, Testökonomie, Transparenz und Unverfälschlichkeit.
Wer sollte psychologische Testverfahren anwenden?
Die Durchführung, Auswertung und Interpretation von psychologischen Testverfahren darf nur von Personen wahrgenommen oder an Personen delegiert werden, die eine ausreichende Qualifikation und Erfahrung vorweisen können. Somit bleibt dies etwa PsychologInnen, PsychotherapeutInnen, PsychiaterInnen, ÄrztInnen, SonderpädagogInnen etc. vorbehalten. Nur diese Spezialisten verfügen durch ihre Ausbildung in Testtheorie über die entsprechenden Kenntnisse der einzelnen Verfahren, um die Aussagekraft der Ergebnisse richtig beurteilen zu können und zusätzlich den Rahmen, in dem die Testanwendung und alle übrigen Informationen zu bewerten sind, zu berücksichtigen.
Psychologische Testverfahren und deren Anwendung setzen eine entsprechende Ausbildung und die regelmäßige Weiterbildung voraus, da im Rahmen psychologischer Forschung, in der diese Testverfahren entwickelt werden, ständig neue Bewährungskontrollen und Testergebnisse publiziert werden.
Eine Ausnahme stellt die berufsbezogene Eignungsdiagnostik dar. In der DIN 33430 ist festgelegt, welche Anforderungen die Anwender von Verfahren zur beruflichen Eignungsdiagnostik erfüllen müssen. Ein Testanwender kann sich entsprechend zertifizieren lassen, was ihn zur Benutzung entsprechender Verfahren berechtigt. Nach DIN 33430 verpflichtet er sich jedoch damit zur Einhaltung von festgelegten Qualitätsstandards. So müssen fundiertes Wissen und nach Möglichkeit angeleitete Praxiserfahrungen nachgewiesen werden. Weiterhin sind sichere Kenntnisse über die vorhandenen und verfügbaren Methoden und Prozesse sowie deren Güte und Einsatzvoraussetzungen notwendig. Um auf dem aktuellen Stand der Forschung zu bleiben, muss die Berechtigung zur Zertifizierung nach der DIN 33430 alle drei Jahre erneuert werden.
Welche Rechte hat eine Testperson?
Eine Testperson besitzt das Recht auf Einsichtnahme. Ein verlässlicher Psychologe wird die einzelnen Ergebnisse und die zu Grunde liegenden Beurteilungskriterien erklären. Gleiches gilt auch im Zuge maschinell durchgeführter und ausgewerteter Testverfahren.
Die Testperson muss im Vorfeld darüber aufgeklärt werden, welcher Zielsetzung die Untersuchung folgt, welche Merkmale getestet werden, in wessen Auftrag die Untersuchung durchgeführt wird und wer auf welche Ergebnisse zugreifen darf.
Es dürfen nur solche Testungen durchgeführt werden, die dem Anlass der Untersuchung inhaltlich und methodisch entsprechen. Zwischen den getesteten Merkmalen und den relevanten Anforderungen muss es einen Zusammenhang gegeben. So muss etwa in Unternehmen der Betriebsrat dem Einsatz von Testverfahren ausdrücklich zustimmen. Die Intimsphäre ist grundsätzlich geschützt. So sind Fragen, die diesen Bereich betreffen, unzulässig. Untersucher und an der Untersuchung Beteiligte unterliegen laut §203 StGB der gesetzlichen Schweigepflicht. Grundsätzlich gilt: Testverfahren dürfen nur mit der Einwilligung der Testperson bzw. bei Kindern mit dem Einverständnis der Eltern durchgeführt werden. Auch die Testergebnisse dürfen erst nach Zustimmung der Testperson Dritten zugänglich gemacht bzw. veröffentlicht werden.
Wie schützt man sich vor falschen Testanwendungen?
Vor einer Testdurchführung sollte man sich entsprechende Fragen stellen und sich über folgende Punkte Klarheit verschaffen:
- WER hat das Testverfahren entwickelt, WER führt die Testungen durch und WER wertet sie aus?
- Welchen ZWECK soll die Testanwendung erfüllen?
- Welche ZIELGRUPPE soll mit diesem Testverfahren angesprochen werden?
- Welchen NUTZEN habe ich persönlich von der Testteilnahme?
- Sind die TESTERGEBNISSE alleine maßgeblich für die Beantwortung der Fragestellung?
- Welche ALTERNATIVEN (z. B. persönliches Gespräch) sind zur Testanwendung gegeben?
- WER erhält außerdem die Ergebnisse oder hat Zugang dazu?
- Ist eine BERATUNG bezüglich der Ergebnisse gewährleistet (sofern gewünscht)?
Im Bereich der berufsbezogenen Eignungsdiagnostik empfiehlt es sich auf die Zertifizierung des Testanwenders nach DIN 33430 zu achten und gegebenenfalls danach zu fragen. Dadurch haben Sie die Gewähr, dass speziell in diesem Bereich nur ein entsprechend zertifizierter und kompetenter Testanwender den Eignungstest durchführt.
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